von Kaiser & Schmedding, 28. Oktober 2020
Betriebliche Altersversorgung (bAV) ist der Sammelbegriff für alle finanziellen Leistungen, bei der ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Leistung bei Alter, Tod oder Berufsunfähigkeit zusagt.
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) haben sich seit 2018 gravierende Änderungen in der betrieblichen Altersvorsorge ergeben. So haben Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, einen Rechtsanspruch auf Umwandlung von Gehaltsanteilen in eine betriebliche Altersversorgung unter Beteiligung des Arbeitgebers an den Kosten. Versicherte haben bei Wechsel des Arbeitgebers einen Rechtsanspruch auf Übertragung des Wertes ihrer Anwartschaften auf einen neuen Altersversorgungsvertrag bei einem anderen Anbieter.
Die bAV gibt es in unterschiedlichen Finanzierungsformen. Arbeitgeberfinanziert, Arbeitnehmerfinanziert (auch Entgeldumwandlung genannt) oder als Mischform. Seitdem in Kraft treten des Betriebsrentenstärkungsgesetz ist somit die Mischform der Regelfall, da sich der Arbeitgeber bei Entgeldumwandlung mit mindestens 15% an der Finanzierung von neuen Verträgen beteiligen muss. Dies entspricht in etwa der Höhe der eingesparten sozialversicherungspflichtigen Kosten des Arbeitgebers.
Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung werden in der Regel nachgelagert, also erst im Rentenbezug, besteuert. Dies ist für den Arbeitnehmer vorteilhaft, da sein persönlicher Steuersatz im Alter voraussichtlich niedriger sein wird als in der Phase des Erwerbslebens. Eine Ausnahme bildet die alte Form der Direktversicherung nach § 40b EStG (Zusage vor 2005).
Darüber hinaus gibt es fünf verschiedene Durchführungswege der bAV:
In mittelständischen Betrieben hat sich sehr häufig über die Jahrzehnte ein Geflecht unterschiedlichster Verträge gebildet. Das resultiert in den meisten Fällen daraus, dass neue Mitarbeiter ins Unternehmen gewechselt sind und ihre Altersversorgung übernommen wurde. So entstand in vielen Betrieben eine Vertragslandschaft mit unterschiedlichen Finanzierungsformen und ggfs. sogar mit unterschiedlichen Durchführungswegen.
Aus dieser Gemengelage ergeben sich für den Arbeitgeber zahlreiche Haftungsrisiken. Insbesondere hinsichtlich der ihm obliegenden Informations- und Dokumentationspflichten, die das Bundesarbeitsgericht in mehreren wegweisenden Entscheidungen (z.B. BAG-Urteil vom 21.04.2014) zuletzt bestätigt hat, besteht durch eine unsachgemäße Handhabung ein großes Haftungspotential. So mussten für Verträge der alten Form der Direktzusage bei Beibehaltung der Pauschalbesteuerung (nach §40b EStG) bis zum 1.01.2005 eine Verzichtserklärung auf die Steuerbefreiung nach §3 Nr. 63 EStG erklärt werden. Bei einem späteren Wechsel des Arbeitgebers musste eine neue Verzichtserklärung bis zur ersten Beitragszahlung erfolgen.
Zu den Informationspflichten und Dokumentationspflichten besteht z.B. die Notwendigkeit des Hinweises der Besteuerung der Rentenzahlungen im Alter. Wichtig ist auch ein erweiterter Hinweis, dass im Alter Beiträge für die Kranken bzw. Pflegeversicherung aus der betrieblichen Rente fällig werden können. Bei privat Krankenversicherten fallen keine Beiträge an.
Weitere Hinweise zur Berufsunfähigkeitsversicherung und Todesfallleistungen sind dem Arbeitnehmer ebenfalls zur Kenntnis zu geben. Auch die Entgeldumwandlung selbst ist schriftlich festzuhalten. Wird hier nicht sauber dokumentiert, kann es ggfs. zu Prozessen und Nachzahlung an die späteren Rentner kommen. Den nach §1 Abs. 1 Betriebsrentengesetzt steht der Arbeitgeber stets für die Erfüllung der vom ihm zugesagten Leistungen ein.
Weitere teure Fehler drohen durch den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne sachliche Gründe und in vergleichbarer Lage schlechter zu stellen. Bei einer sich über die Jahre zufällig entwickelnden bAV können auch hier Klagen von z.B. ausgeschiedenen Mitarbeitern drohen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konkretisiert den Gleichbehandlungsgrundsatz und gilt übergeordnet für die betriebliche Altersvorsorge.
Als wären diese Fallstricke nicht schon genug ergeben sich insbesondere aus der langen Verjährungsfrist der Rente weitere Fallen. Nach dem Betriebsrentengesetz (§ 18a BetrAVG) verjährt der Anspruch auf die Rente erst nach 30 Jahren. Oftmals kommt es vor, dass für einen neuen Mitarbeiter die Verträge weitergeführt werden. Damit tritt der aktuelle Betrieb in alle Rechte und Pflichten und damit in die Haftung für die Rente ein. Dabei weiß der neue Arbeitgeber gar nicht, ob z.B. durch Elternzeiten etwaige Lücken in der Einzahlung entstanden sind. Ähnliche Lücken können auch durch langfristige Krankheitsverläufe entstanden sein.
Eine weitere Kostenfalle entsteht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der Altersgrenze. Für den Bezug der Betriebsrente besteht zu diesem Zeitpunkt bereits eine unverfallbare Anwartschaft. Hier kann der Arbeitgeber aber nur dann sicher sein, später nicht doch selbst – zumindest teilweise – für die Betriebsrente aufkommen zu müssen, wenn er dies gegenüber Arbeitnehmer und Versicherung nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum Ausscheiden schriftlich erklärt. (BAG, Urteil vom 19.05.2016). Und auch in der aktuellen Corona-Zeit ist es notwendig, die ggfs. auftretenden Lücken durch Kurzarbeit zu dokumentieren und den Arbeitnehmer auf die geschmälerte Rente aufmerksam zu machen. Die Beispiele zeigen noch einmal auf, wie wichtig es ist, alle Verträge langfristig in der bAV schriftlich zu dokumentieren, da die daraus entstehenden Rentendifferenzen zu Lasten des Arbeitgebers gehen.
Aus den unterschiedlichen arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ergeben sich erhebliche Haftungsrisiken für Sie als Arbeitgeber. Gerne analysieren wir diese Risiken für Sie und machen Ihnen Lösungsvorschläge für das richtige und systematische Vorgehen in der betrieblichen Altersvorsorge.
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